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Echos > 2012 > Financial Times Deutschland - Das schmutzige Geheimnis der Energiewende

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von Horst von Buttlar

Das schmutzige Geheimnis der Energiewende

Windräder und Strommasten
© Bild: 2012 DPA/Jan Woitas/Bildfunk/DPA

Langsam kommt es ans Licht: Die Energiewende stockt nicht nur, sondern offenbart gleichzeitig ein gut gehütetes Geheimnis Sie ist eines der größten Umverteilungsprogramme von unten nach oben seit Langem.

Horst von Buttlar leitet das Ressort Agenda der FTD. Es gibt jetzt viele neue Wendegeschichten. Nein, nicht die über Tüftler und Erfinder, die neue Motoren bauen oder an Wunderwirkstoffen forschen.

Diese neuen Wendegeschichten erzählen vor allem von Geld. Von friesischen Bauern, bei denen ein Ferrari zwischen Traktor und Schlepper steht und die sich jeden Morgen fragen, ob sie ihr Feld, auf dem Windräder stehen, noch pflügen sollen oder nicht.

Oder von einer bekannten deutschen Kanzlei, die einen zweistelligen Millionenbetrag in Sonnenparks investiert hat, einen Teil der Summe schön als Sonderabschreibung geltend machte und nun händeringend überlegt, wie sie die Hunderttausende, die jeden Monat hereinkommen, steuerlich schonend gestaltet.

Horst von Buttlar
Horst von Buttlar FTD/Maxim Sergienko

Oder von dem bayerischen Landwirt, der auf das große, glitzernde Solarzellenkleid seiner Scheunen zeigt und grinsend sagt: "Das sind jetzt 20.000 Euro pro Monat."

Ja, das Grinsen über das leicht verdiente Geld ist eines der Gesichter dieser Wende geworden. Noch ist es nicht so sichtbar und bekannt, aber es ist an der Zeit, dieses Gesicht den Deutschen genauer vorzustellen.

Langsam wird uns bewusst, dass diese Energiewende nicht nur stockt - sondern ein schmutziges Geheimnis hat. Langsam sickert es durch, so wie vor einigen Tagen, als Verbraucherschützer über die hohen Strompreise klagten: 2007 zahlte jeder Haushalt im Schnitt 35 Euro für alternative Energien. Ab 2013, wenn die Umlage von 3,5 Cent auf über 5 Cent steigt, werden es 185 Euro sein. Die vergangenen Jahre hat das kaum jemanden aufgeregt, weil viele Deutsche die Umlage als eine Art Spende für einen guten Zweck empfinden. Das kann man so sehen. Doch es ist etwas naiv. Denn das Geld wandert in die Taschen einer Branche, die wie die Auto- oder Pharmabranche in erster Linie ein Ziel hat: Sie will Geschäfte machen. Vor allem jetzt, da die Energiewende zu einem neuen Goldrausch geführt hat.

Wir sollten also wenigstes ehrlich sein - in Zeiten, in denen Armeen von Vertretern und "Beratern" von Enercon, Repower oder den vielen obskuren Solardienstleistern durchs Land ziehen. Es geht nicht um ein höheres Ziel oder einen guten Zweck. Das ist die Story, die bei Bürgerversammlungen erzählt wird. Es geht ums Geld.

Genauer gesagt: um richtig viel Geld für richtig wenige, Geld, das sich Betreiber, Investoren, Verpächter und Hersteller aufteilen. 16,4 Mrd. Euro betrug die EEG-Umlage 2011, im kommenden Jahr sollen es 20 Mrd. sein. Die Gemeinden werden mit Steuerversprechen geködert (oder gespalten), die oft nicht eingehalten werden. Bedenken oder Einwände werden auf diese Weise einfach weggekauft.

Um mal konkret zu werden: Wenn Sie einen Acker oder eine Wiese haben, können Sie die Fläche für ein paar Hundert Euro pro Hektar und Jahr verpachten - je nach Standort und Bodengüte. Wenn das Grundstück geeignet ist und Sie es an Windradbetreiber verpachten, bekommen Sie das Hundertfache. Je nach Standort gibt es eine Grundpacht zwischen 10.000 und 25.000 Euro, oft werden die Verpächter an der Umlage beteiligt und kommen auf Werte von über 50.000 Euro - pro Windrad. Fazit: Wer sich ein paar Windräder hinstellen lässt, muss oft nicht mehr arbeiten.

Wenn ich könnte, würde ich das natürlich auch tun - denn dann müsste ich keine Artikel mehr über Windräder schreiben. Doch es geht nicht um meinen Neid. Es geht um die Lieblingsfrage der Deutschen: Ob das nicht ungerecht ist. Und ob da nicht etwas völlig außer Kontrolle geraten ist. Denn auch für 5000 Euro würde sich die Verpachtung noch lohnen. Sprich: Die Förderung ist zu hoch.

Was nervt, ist, dass Vertreter der Branche so tun, als seien sie im Auftrag einer höheren Mission unterwegs. Sicher, die Energiewende ist ein gigantisches Zukunftsprojekt, mit dem unsere Volkswirtschaft umsteuert. Ein Projekt, das inspiriert.

Sie ist aber auch eines der größten Umverteilungsprogramme von unten nach oben, die Deutschland seit Langem erlebt hat. Es spaltet die Gesellschaft in jene, die produzieren (auf 20 Jahre garantiert), und jene, die verbrauchen. Stört das eigentlich jemanden in der SPD oder bei den Grünen, die sonst immer vereinen oder von oben nach unten umverteilen wollen?

Sogar Vertreter der Branche räumen inoffiziell ein, dass diese Transfers ein "Riesenthema" seien und die hohen Pachten irrsinnig. Doch da Riesenthemen bekanntlich heikel sind, spricht man sie lieber nicht laut an.

Der Dirigent und BUND-Mitgründer Enoch zu Guttenberg ist im Mai aus Protest aus dem Naturschutzbund ausgetreten, aus ähnlichen Motiven. Sein Vorwurf: "Verdacht der Käuflichkeit" des BUND, er wolle seine Hände nicht mehr "in die Nähe zu jenem Geldfass recken", das nur noch korrumpiere. "Wir reden leider längst nicht mehr von einer verantwortbaren Zukunft der Energiewirtschaft in Deutschland", schrieb zu Guttenberg. "Wir reden vom schnellen Reibach."

Und was sagen Politiker dazu? Sie schlagen natürlich eine neue Subvention vor und wollen Strom für niedrige Einkommen subventionieren. Wie aus dem Lehrbuch für irre Interventionen: Der Stromkunde zahlt die Umlage, sie wird durch die Taschen der Energiebranche geschleust - und dann indirekt als Subvention ausgezahlt. Oje.

Wenn Sie also das nächste Mal ein Windrad sehen, denken Sie nicht: Das ist schön oder hässlich. Oder sauber oder störend. Denken Sie einfach: Glückwunsch! Da ist jemand verdammt reich geworden.

Financial Times Deutschland | 15.08.2012


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